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Bereits August Hermann Niemeyer (1754–1828) zeigte Interesse an der am Ende des 18. Jahrhunderts aufkommenden Gymnastikbewegung. Unter seinem Sohn Hermann Agathon (1802–1851) wurde 1839 Turnunterricht in den Schulen eingeführt. Die Turnbewegung führte 1848 auch zur Gründung des ersten Schülerturnvereins an den Franckeschen Stiftungen, der allerdings nur ein Jahr bestand.

Die erste Sportanlage war der 1718 freigegebene Ballonplatz, auf dem sich die Schüler des Pädagogiums in einer Art Federballspiel (Volantenspiel) üben konnten. Mit der Einführung des Turnunterrichts wurde für die Schüler der Lateinischen Hauptschule, der Realschule und der Bürgerschule um 1840 ein Turnplatz im Feldgarten eingerichtet, der über Barren, Recke, Springpfeiler, Klettergeräte und Balancierbalken verfügte. Auf dem Turnplatz fanden zahlreiche Veranstaltungen der Schülervereine statt.

Der Spiel- und Sportplatz der Franckeschen Stiftungen. Stahlstich von Nikolaus Afinger, um 1850
AFSt/B   Sa 0002

Bis 1891 gab es in den Franckeschen Stiftungen nur eine Turnhalle, 1839 provisorisch eingerichtet in einem ehemaligen Holzmagazin. Offiziell »Turnhalle III«, von den Schülern jedoch »Kuhstall« genannt, stand sie auch den Turnvereinen und der Schülermusikkapelle zum Üben zur Verfügung. Die technischen und hygienischen Voraussetzungen genügten bald nicht mehr den Anforderungen an einen zeitgemäßen Turnunterricht. Die Turnhalle wurde 1978/79 im Zusammenhang mit dem Bau der Hochhäuser auf der ehemaligen Plantage abgerissen.

Der »Kuhstall«. Zeichnung von Elke Wiegand aus dem Kunstunterricht der EOS August Hermann Francke, Halle, 1960
AFSt/S D I 31: 18

Die Turnhalle II entstand 1904/06 im Zusammenhang mit dem Bau der Latina. Sie befand sich am südwestlichen Rand des Turnplatzes und war vor allem den Mädchenschulen vorbehalten.

Die Turnhalle II. Fotografie, Halle, um 1935
AFSt/B   A 0335

Die neue Turnhalle I, großzügig gebaut und modern ausgestattet, wurde 1891 in Betrieb genommen. Sie erhielt ihren Standort an der Ostseite des Turnplatzes. Die Halle entlastete den Turnunterricht und durfte auch von den Schülervereinen genutzt werden. Wie die Turnhalle II wurde auch die Turnhalle I im März 1945 bei einem Bombenangriff zerstört.

Die Neue Turnhalle. Zeichnung von Albert Dewerzeny.
In: Festschrift zur zweihundertjährigen Jubelfeier der Franckeschen Stiftungen am 30. Juni und 1. Juli 1898. Halle, 1898
BFSt: S/FS.4:682

Der Schüler-Turnverein Friesen

Der zahlenmäßig größte Verein, der sich dem Turnen widmete, wurde 1881 von den Schülern Friedrich Leopold Bilke (geb. 1864), Georg Wilhelm Carl Hundt (geb. 1865) und Peter Conrad Behm (geb. 1865) ausschließlich für Internatsschüler gegründet. Er sah seine besondere Aufgabe in der »körperlichen Ertüchtigung im nationalen Sinne«.

Die Mitglieder turnten zweimal wöchentlich und pflegten in ihrer Freizeit ein geselliges Leben mit Festen und Ausflügen. Turnerische Höhepunkte waren anfangs die Stiftungsfeste, später die Sommerfeste, die von allen Schülervereinen gemeinsam organisiert wurden. Glanzpunkt dieser Feste war der sogenannte Reigen, bei dem die Turner kunstvolle Figuren zeigten. Gefahren drohten dem Verein in den 1890er Jahren durch den Einzug des Fußballspiels, denn zu den drei Fußballvereinen wanderten mehr und mehr »Friesen« ab. Der Erste Weltkrieg unterbrach die Entwicklung des Vereins. Schon 1919 jedoch gelang ein beachtliches Schauturnen, das auch als Gedächtnisfeier für die gefallenen Mitglieder veranstaltet wurde. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kam das Vereinsleben vollständig zum Erliegen.

Porträt Friesen

Karl Friedrich Friesen (1784–1814) war Mitbegründer der deutschen Turnkunst, Pädagoge und republikanisch-nationaler Freiheitskämpfer. Er wirkte ab 1808 an der Plamannschen Erziehungsanstalt in Berlin. Seit 1813 gehörte er als Offizier dem Lützowschen Freikorps an und fiel 1814 in den Befreiungskriegen gegen Napoleon.

Karl Friedrich Friesen.
Festschrift zur Fünfzig-Jahrfeier des Schülerturnvereins Friesen in den Franckeschen Stiftungen zu Halle/Saale. Hg. v. Eberhard Stammer. Sonneberg 1931
BFSt: S/FS.4:910

Wappen des Schülerturnvereins Friesen

Das Wappen wurde von Ernst Hartung (1894–1944) angefertigt.

Das viergeteilte Schild zeigt links oben die Farben und den Zirkel des Vereins, die in einem Zug geschriebenen und verschlungenen Buchstaben F, E und V für den Leitspruch »Ehre, Freiheit, Vaterland«. Daneben befinden sich ein Bierkrug und zwei gekreuzte langstielige Tabakspfeifen. Auf den beiden unteren Schildhälften sind das Gründungsdatum des Vereins und das Turnerkreuz, bestehend aus vier horizontal und vertikal gespiegelten Buchstaben F für den Wahlspruch der Turner »Frisch, fromm, fröhlich, frei« abgebildet. Über dem Helm mit der Helmwulst, den Helmdecken und der Helmzier in den Vereinsfarben schwebt ein Spruchband mit dem Feldgeschrei (Panier) »Friesen sei‘s Panier!«. Unter dem Schild befindet sich ein weiteres Spruchband mit der Devise »Vivat, crescat, floreat, Friesen!« (Er lebe, wachse und gedeihe, Friesen!).

Wappen des Schülerturnvereins Friesen, Holz, ca. 1926
AFSt/D  0449

Fotografien des Schüler-Turnvereins Friesen

Der Ruder-Verein der Latina

Der Ruderverein der Latina, gegründet 1916, verfolgte das Ziel, seine Mitglieder durch Ausübung des Rudersports körperlich zu ertüchtigen. Zur Ergänzung wurde Schwimmen und Leichtathletik, besonders Langstreckenlauf, geübt. Der Verein besaß drei Boote und war der Rudergesellschaft »Nelson« (1874) mit einem Bootshaus auf der Peißnitz angegliedert. Die Schüler beteiligten sich an vielen Wettkämpfen auf der oberen Saale bis hin nach Magdeburg. Neben den eintägigen Fahrten nach Wettin, Brachwitz oder Salzmünde wurden in den Pfingstferien mehrtägige Fahrten bis nach Naumburg und auf die Unstrut unternommen. Die »Großen Wanderfahrten« in den Sommerferien hatten die Havelseen zum Ziel und führten mitunter bis nach Hamburg. 1927 und 1928 war das Rudern auch in die Mitteldeutschen Schülerkampfspiele aufgenommen worden. Zuletzt wird der Ruderverein 1936 erwähnt.

Teilnehmer der Ruderwettkämpfe bei den Mitteldeutschen Schülerwettkämpfen. Fotografie, 1927, AFSt/B J 3186

Satzung, Abzeichen und ein eigenes Bootshaus

Bootshaus an der Peißnitz

Entwurf zum Bau eines Bootshauses an der Peißnitz für den Halleschen Ruderverein von 1894.
AFSt/W XI/-/8a 

Am 4. Dezember 1895 wurde von dem Halleschen Ruderverein von 1884 der Beschluss gefasst, an gleicher Stelle des alten Bootsschuppens auf der Peißnitz, unterhalb der Gimritzer Schleuse, ein neues Ruderhaus zu errichten. Am 16. August 1896 war der Bau, den Baumeister Schulze für 4.500 M errichtete, fertig und konnte in feierlicher Weise seiner Bestimmung übergeben werden. Das Bootshaus wurde später von der Stadt für 8.000 Mark gekauft und als Schüler-Bootshaus genutzt. Im Jahre 1931 wurde es abgerissen.

Der Turnspielverein

Im Gegensatz zu den beiden Schülerturnvereinen entstand der Turnspielverein als Folge der aufkommenden Sportbewegung, mit ihrem ausgeprägten Wettkampf- und Spielcharakter. Neben Tennis- und Cricket betrieb der Verein vor allem das neu aufgekommene Fußballspiel, zunächst eher in Form von Rugby. Wenig später spielten die Schüler bereits Fußball »ohne Aufnehmen des Balles« und führten das Passspiel ein. 

Wettspiele wurden gegen die Vereine der Stiftungsschulen und Schülerheime bestritten. Auch gegen Schülermannschaften Halles und anderer Städte fanden Turniere statt. Protektor Hammerschmidt und Mitglieder des Turnspielevereins gehörten zu den Gründern des ersten Fußballvereins der Stadt Halle, dem Halleschen Fußball-Club 1896. Übungen in der Leichtathletik ergänzten das Programm des Vereins. In den 1920er Jahren wurden neue Ballspielarten, wie Faust- und Handball, in das Training aufgenommen.Letztmalig wird der aktive Verein anlässlich eines Prellballturniers der höheren Schulen Halles 1934 erwähnt.

Schriftdokumente des Vereins

Die Schulen und Schülerheime hatten jeweils eigene Fußballvereine und Mannschaften, die sich in Pokalspielen gegenüberstanden, aber auch gegen Schulmannschaften anderer Städte antraten. Der »Fußballstreit« an den Franckeschen Stiftungen wurde 1897 dadurch beendet, dass das Direktorium die Auflösung der Fußballvereine verfügte.

Der Schüler-Turnverein Jahn

1893 gründeten 15 Schüler der Latina mit Genehmigung des Direktors einen zweiten Turnverein, den Schülerturnverein Jahn mit den Vereinsfarben schwarz–rot–gold. Er war nach dem Turnvater Friedrich Ludwig Jahn (1778–1852) benannt. Dieser Verein war für die Stadtschüler in den Stiftungen gedacht. Er hatte den Zweck, die körperliche Kraft und Gewandtheit seiner Mitglieder durch regelmäßig wiederkehrende Turn- und Spielübungen zu fördern und darüber hinaus die Freundschaft und Kameradschaft unter den Schülern zu pflegen.

Um die Konkurrenz mit dem beliebten Fußballverein an der Latina zu beenden, wurde dieser 1896 mit dem Turnverein zusammengelegt. Das führte dazu, dass die turnerischen Leistungen vorübergehend beeinträchtigt wurden, das Ballspiel dagegen florierte, und die »Jahner« als erfolgreichste Fußballer in Halle galten. 1933 konnte der Verein sein 40-jähriges Bestehen feiern. Allerdings hatte die »Reichssportführung« verlangt, dass sich der STV einem bestehenden halleschen Sportverein anzuschließen habe. Die Turner wählten den VfL Halle 96. Dem Gebietsbefehl der Hitler-Jugend-Führung von 1936 versuchte der Schülerturnverein zu unterwandern, indem er sich in eine Arbeitsgemeinschaft umwandelte. Doch es gelang nicht mehr, die Tradition des STV Jahn fortzuführen.      

Schriftstücke

Kapitelauswahl

Bierkrüge des Schülerturnvereins Friesen

Selbstverwaltung und Disziplin

Turnhalle I

Sportvereine

Einladung Konzert

Musikvereine

Einladungsplakat des Naturwissenschaftlichen Vereins

wissenschaftliche Vereine